Rezensionen
Um so erfreulicher ist es, dass seit kurzem eine neue Bremerhavener Band in sehr eigener Art elf Texte von Klaus Groth (1819-1899) musikalisch umgesetzt hat und mit ihrer CD „Gerths Bagaasch speelt Klaus Groth“ den geneigten Hörer freudig überrascht.
Da rockt und bluest es und lässt erstaunen, wie hervorragend diese zeitgenössische Musik zu den Texten passt. Langeweile kommt beim Hören dieser Lieder, die in verschiedenen Musikstilen dargeboten werden, nicht auf.
„Gerths Bagaasch“, das sind vier gestandene Musiker, die alle seit Jahren in verschiedenen Genres tätig/unterwegs sind:
Gerth Schmidt (Komposition, Gesang, Gitarre) prägt mit seiner imposanten, etwas rauchigen Stimme (Er ist Nichtraucher!) die Songs und singt jedem Lied sein ureigenes Leben ein.
Nils Wandrey (Arrangement, Gitarren, Bass, Cello, Drums & Programming) gelingt es, durch einfühlsames Arrangieren jedem Stück einen individuellen Sound/Charakter zu verleihen. Imposant sein überaus sensibles, aber stets dem Song dienenden Gitarrenspiel.
Ingo Beck (Klavier, Keyboards) trägt die Stücke durch seine Tastenbegleitung in souveräner Weise und verziert die Lieder mit vielen kleinen Klangperlen.
Lars Hierath (Saxophon, Querflöte) setzt mit seinen Beiträgen solistische Highlights in mehrere Stücke. Genial geradezu das Flötensolo in „Int Holt“!
Hör ich das „Regenleed“, seh ich förmlich Leonard Cohen über den Weserdeich schleichen (Zitat nach Bagaasch-Fan Peter Mathews, Autor in Berlin). Mit gesträubten Nackenhaaren bin ich mitten im Geschehen und rieche beinahe den modrigen Moorboden, wenn Schmidt die Story „Dat stöhnt int Moor“ singt. Ab geht dann sozusagen Schmidts Katze/Mucke bei „Dar weer en lüttje Buerndeer“ und man möchte am liebsten das Tanzbein schwingen zu „Slash“-Wandreys Rock-Gitarre.
Als Rezensent sollte man mit Superlativen vorsichtig umgehen, aber ich muss sagen, dass mir eine vergleichbare Plattdeutsch-Mucke noch nicht zu Ohren gekommen i
Texte und Musik im Zusammenspiel vermitteln und bewirken starke Gefühle. Die Musik wird zum Sound von Marsch und Moor. // Stimme und Instrumente zusammen lassen Marsch und Moor vor dem geistigen Auge sichtbar werden.
Man empfindet die Weite der Landschaft, sieht ihre hohen Himmel, spürt die Einsamkeit, doch erlebt ebenso das lustige Treiben eines Festes auf der Tenne.
Da bleibt nur noch zu sagen:
Toi toi toi und: Macht weiter so!
Detlef Kühn 2.11.2014
Erdiger Rockbeat auf Platt
Theater im Fischereihafen Von Otto Oberstech
Bremerhaven. Wenn der niederdeutsche Dichter Klaus Groth heute leben würde, wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach Rockpoet oder zumindest Liedermacher: Denn dass sich seine Texte mit den Stilmitteln der Rockmusik hervorragend vertonen lassen, bewies am Sonntagabend die Gruppe Gerths Bagaasch im Theater im Fischereihafen (TiF)
„Dat stöhnt in’t Moor“: Düster und gruselig beginnt das Konzert mit blauen Nebelschwaden und wimmernder Bluesgitarre von Nils Wandrey. Gerth Schmidt, Sänger und Initiator des Bandprojektes, singt mit heiserer Stimme von einer Frau, die mit ihrem Kind den Freitod im Moor sucht: „Da stöhnt en Fru, da weent en Kind“. Über dem erdig-düsteren Rockbeat klagt jammernd die Flöte von Lars Hierath.
Ein Hang zur Tragik
Auch bei „De Wittfru“ geht es um Tod und Sterben – Groths Hang zu Tragik und Melancholie ist unverkennbar. Das Anliegen des Dichters war es, das Plattdeutsche vom Ruch eines dumpf-bäuerlichen Dialektes zu befreien und in den Rang einer anspruchsvollen Literatursprache zu erheben, in der auch ernste Themen abgehandelt werden können. Was ihm durchaus gelungen ist.
Natürlich war auch die Liebe ein Thema für Klaus Groth: Bei „Da wär een lütje Buurdeern“ und „Min Anna“ wird die Musik von Gerths Bagaasch etwas fröhlicher und leichtgängiger, um dann wieder bei „In’t Holt“ – ein Lied über den Wald, der Trost und Frieden spendet – schwermütig und bedeutungsschwanger zu tönen. Der Versuchung, mundartliche Gassenhauer zum Mitsingen zu produzieren, widerstehen die Musiker erfolgreich. Dafür gibt es Texte mit Tiefgang, erstklassig in Szene gesetzt von einer professionell und locker aufspielenden Band.Ansagen auf Hochdeutsch
Lediglich die Erklärungen von Gerth Schmidt zwischen den Liedern geraten manchmal etwas zu langatmig – da kommt der frühere Lehrer durch. Puristen könnten sich auch daran stoßen, dass die Ansagen auf Hochdeutsch sind.
Schmidt: „Das mach ich für die, die kein Platt verstehen – so wie einige Jungs von der Band“. Aber die lieferten trotzdem einen guten Job ab: Ingo Beck wechselte von den Keyboards zum Akkordeon, Stephan Hübler (Bass) und Olaf Satzer (Schlagzeug) sorgten für das rhythmische Fundament. Gerth Schmidt hat alle Groth-Texte selbst vertont, bis auf „Da geit en Bek“, das zur Melodie von „House of the rising sun“ gespielt wurde.
Schade, dass die Band nicht öfter zu hören ist, aber laut eigenem Bekunden haben die überwiegend älteren Musiker es aufgegeben, nach Starruhm zu streben.